Während der NSU-Prozess die versprochene ‚lückenlose Aufklärung‘ der Hintergründe der Mord- und Terrorserie weitgehend schuldig blieb, lag ein Schwerpunkt der medialen Berichterstattung nicht zuletzt auf pikanten bis bizarren Details oder schlichten Spekulationen, die das Alltags-, Beziehungs- und Innenleben des ‚Terror-Trios‘ betrafen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand und steht dabei Beate Zschäpe und mit ihr eine problematische Ansammlung von Geschlechterstereotypen: wahlweise „braune Femme Fatale“, „zärtliche Katzenmama“ oder „unwissende Hausfrau“. Mediale Darstellungen, Verteidigungsstrategien der Bundesanwaltschaft und nicht zuletzt Zschäpe selbst werden nicht müde, den Prozess und die in Frage stehenden Taten und Hintergründe anhand solcher geschlechtsbezogener Klischees zu inszenieren. Diese haben ihren Anteil am ‚Behördenversagen‘ bei der Aufklärung der NSU-Verbrechen und behindern fortgesetzt das Verständnis des NSU-Komplexes, aber auch der generellen Rolle von Frauen in rechtsradikalen Zusammenhängen.
Gemeinsam wollen wir einen kritischen Blick auf solche Inszenierungen werfen. Anhand ausgewählter Ausschnitte aus Filmen und Fernsehdokumentationen zum NSU diskutieren wir die dort bedienten Geschlechterstereotype und fragen nach deren Effekten und Funktionen. Dabei fragen wir auch danach, inwiefern die Inszenierung Beate Zschäpes kein Einzelfall ist, sondern vielmehr beispielhaft für eine gängige Praxis der (Selbst-)Darstellung von Frauen in der rechten Szene steht.
Wie werden die Handlungsmotive und die Rolle von Frauen in rechten Netzwerken dargestellt? Warum spielen Spekulationen um das Geschlechtsleben innerhalb des NSU-Netzwerks in der Berichterstattung zum Teil eine größere Rolle als Fragen der konkreten Tatbeteiligung oder der politi-schen Orientierungen und Motive? Wie trägt all dies zur Entpolitisierung und Bagatellisierung rechter Gewalt oder zur Verschleierung konkreter Tathergänge bei? Wie nutzen rechtsradikale Frauen selbst verbreitete Geschlechterstereotype und welche Rolle spielen solche Strategien für die Ermöglichung und Durchführung oder die juristische und mediale Beurteilung rechter Gewalttaten?
Die Veranstaltung folgt dem bundesweiten Aufruf „Kein Schlussstrich – NSU-Komplex auflösen!“ und findet im Kontext der sächsischen Mobilisierung zur Urteilsverkündung in München statt.